Europa ohne Regeln
Die deutsche Politik steht vor der Selbstaufgabe, zermürbt von zahllosen Euro-Rettungsgipfeln und
einem bis zur Unkenntlichkeit verbogenen Gesetzesrahmen. Die Südländer, allen voran Frankreich,
Italien und Spanien, unterstützt von der EU-Kommission, üben brutalen Druck auf Deutschland aus,
endlich den Freifahrtschein für unlimitierte Kreditvergaben an Problemländer auszugeben. Merkel und
Schäuble sind Gefangene ihrer grotesken Fehleinschätzung der Situation in Euroland. Sie machen nun
weiter mit ihrer „Rettungspolitik“ ohne Rücksicht auf Verluste, da jeder Kurswechsel ein Eingeständnis
ihrer schwerwiegenden Fehler wäre.


Das Endspiel um den Euro hat begonnen

Die Regierung proklamiert für die Euro-Rettung eine Art Ausnahmezustand und agiert über Volk und
Gesetzgebung hinweg. Niemand kann der Bevölkerung erklären, aus welchem Grund und mit welcher
Legitimation Deutschland die finanzielle Verantwortung für die Sanierung der südeuropäischen
Staatsschulden übernehmen sollte. Vor drei Tagen erklärte Angela Merkel, „Alles“ für die Euro-Rettung
tun zu wollen. Heute Morgen kam die Meldung, dass EZB, Frankreich und Italien den ultimativen
Rettungsschirm fordern – den ESM ohne Limit.


Die Hauptlast der Haftung liegt auf Deutschland. Im Bundestag -als parlamentarisch verantwortliche
Institution- regt sich kein Widerstand, sofern er überhaupt noch eingebunden wird. Die extrem
komplexen Vorlagen, die kaum ein Abgeordneter gelesen, geschweige denn verstanden hat, werden in
Windeseile durch die Sitzungen gepeitscht und marionettenartig abgenickt.

Aber im Kern geht es um die dauerhafte Machtverschiebung von unseren nationalen
Entscheidungshoheiten (Bundestag, Bundesrat) hin zu den europäischen Regierungsvehikeln in Brüssel,
also zu völlig intransparenten Gebilden, in denen Deutschland zwar alles zahlen soll, aber nur das gleiche
Stimmrecht wie Malta oder Zypern hat. Hinterhof-Politik mit unbegrenzten Finanzmitteln. Das
Handelsblatt titelt heute Morgen: „Wer regiert eigentlich Deutschland“?

Mit welchem Recht wird unser Vermögen vernichtet?

Auf dem letzten EU-Gipfel Ende Juni hat Frau Merkel nach nächtelanger Bearbeitung durch die
Regierungschefs der Südländer ihren Widerstand aufgegeben und die politische Verantwortung für
Deutschland endgültig an der Garderobe in Brüssel abgegeben. Deutschland stellt das Privatvermögen
seiner Bürger zur Rettung der südeuropäischen Banken zur Verfügung. De facto bedeutet die
Zustimmung zum ESM und zur Bankenunion, dass die Mehrheit der EU-Länder (via EU-Kommission)
nunmehr über die deutschen Finanzen autark entscheiden kann. Eine parlamentarische Kontrolle ist
nicht vorgesehen, Transparenz nicht gewünscht.

Das Bundes-Verfassungsgericht hat sich derzeit mit diversen Klagen gegen den ESM-Rettungsschirm zu
befassen und sich eine entsprechende Prüfungszeit ausbedungen. Diese lästige Gewaltenteilung wird
von der Regierung offensichtlich als Zumutung empfunden und so schwingt sich Schäuble dazu auf, das
Gericht unter Druck zu setzen. Ein Ablehnen des Rettungsschirmes würde zu „erheblichen
wirtschaftlichen Verwerfungen mit nicht absehbaren Folgen“ führen, so seine altbekannte Rhetorik.

Es steht jedoch leider zu befürchten, dass das Bundes-Verfassungsgericht den ESM nicht kippen,
sondern möglichweise nur mit einigen Auflagen versehen wird. Eine Ablehnung des ESM würde
unweigerlich zum Ende des Euro und damit auch zu dem erhofften Ende mit Schrecken führen.

Man benötigt keine hellseherischen Fähigkeiten, um zu erkennen, dass der von der Politik
eingeschlagene Weg in die Katastrophe führt. Die Regierungen in Europa sind zu Getriebenen der
Märkte geworden, da diese längst wissen, dass der Euro in der Sackgasse ist. Die Öffentlichkeit wird mit
Krisenrhetorik eingeschüchtert und das Handeln als selbstredend alternativlos dargestellt. Das
Verfassungsgericht musste die Regierung bereits daran erinnern, dass es ein Grundgesetz gibt, das auch
im permanent proklamierten Ausnahmezustand seine Gültigkeit behält.

Was ist der ESM?

Der Europäische Stabilitätsmechanismus, wie er korrekt heißt, ist im Grunde eine supranationale,
extrem privilegierte Bank, die für die nationalen Verfassungsorgane und Behörden so unantastbar wie
ein fremder Staat sein wird.

Die ursprünglichen Regeln sahen Folgendes vor:
Einsatz des Krisenfonds nur als „Ultima Ratio“
Im Gegenzug für Kredite sollte das Empfängerland harte Reformauflagen erfüllen
ESM-Forderungen sollten vorrangigen Gläubigerstatus haben
Eine direkte Rekapitalisierung maroder Banken sollte ausgeschlossen sein

Was ist davon nach der fatalen Nachtsitzung Ende Juli übrig geblieben? Pustekuchen. Nichts.

Die Verteilung der ESM-Mittel liegt im Ermessen des ESM selbst und damit ist jetzt schon klar, dass das
Geld nie reichen wird, wohin es auch fließt. Die Akteure genießen vollständige Immunität und
unterliegen keinen Berichts- oder gar Rechenschaftspflichten. Kontrollorgane? Nicht vorgesehen. Und
siehe da, es dauerte nur wenige Tage und die Herren Rajoy (Spanien) und Monti (Italien) fordern
schamlos, ihnen die Mittel ohne jegliche Auflagen zur Verfügung zu stellen. Das als Brandmauer
angedachte Instrument wird zum Brandbeschleuniger.

Politik verabschiedet sich von seinen Bürgern

Man kann nur mutmaßen, was die Regierungen mit dieser Vehemenz in die Schuldenunion treibt. In den
südeuropäischen Staaten ist es noch klar, dass man einen willfährigen Zahlmeister sucht, um zumindest
die dringendsten wirtschaftlichen Probleme mit Liquidität zu zuschütten. Eine Lösung kann es in dieser
Konstellation nicht geben.

Die Jugend auf den Straßen von Athen bis Madrid hat dies längst erkannt. Die Frage für die Bevölkerung
im Club-Med heißt doch: Will ich im Euro bleiben und eine starke Deflation meiner Lohnkosten,
verbunden mit einer sehr langen ökonomischen Durststrecke akzeptieren -mit ungewissem Ausgang-,
oder verbessere ich meine Wettbewerbssituation nach altem Muster durch Abwertung meiner
Währung?

Die Motivlage der deutschen Regierung, den Wohlstand seiner Bürger fahrlässig aufs Spiel zu setzen,
liegt jedoch im Dunkeln. Ist es der Traum, einer der Architekten der „Vereinigten Staaten von Europa“ zu
sein, das in der Weltwirtschaft eine signifikante Rolle spielen soll? Die Rechnung wird nie aufgehen, da
Deutschland in wenigen Jahren vor dem Scherbenhaufen seines einstigen Wohlstandes steht. Spanien
und Italien werden in den nächsten Tagen den ESM anpumpen und damit als Haftungsträger ausfallen.
Die deutsche Haftungsquote erhöht sich dann schlagartig auf 66% (von ursprünglich einmal 27%).
In einem offenen Brief an die deutsche Bevölkerung haben Ifo-Chef Professor Hans-Werner Sinn und
über 170 weitere Wirtschaftswissenschaftler auf die drohenden Gefahren hingewiesen. Wörtlich: „Die
Schuldnerländer verfügen über eine strukturelle Mehrheit im Euro-Raum. Wenn die soliden Länder der
Vergemeinschaftung der Haftung für die Bankschulden grundsätzlich zustimmen, werden sie immer
wieder neuen Pressionen ausgesetzt sein, diese Summen zu vergrößern. Streit und Zwietracht mit den
Nachbarn sind vorprogrammiert. Noch unsere Kinder und Enkel werden darunter leiden."

Der Text endet mit einem Appell an die Bürger: "Bitte tragen Sie diese Sorgen den Abgeordneten Ihres
Wahlkreises vor; unsere Volksvertreter sollen wissen, welche Gefahren unserer Wirtschaft drohen."

Die Prognose von Herrn Sinn hat sich schon überholt. Seit heute wird ein ESM ohne jede
Kreditbegrenzung gefordert. In letzten Umfragen haben mehr als 70% der Bevölkerung angegeben, den
Euro nicht mehr zu wollen und lehnen weitere Rettungsmaßnahmen ab.

Die Folgen: Financial Repression

Die Menschen spüren, dass etwas Unheilvolles in der Luft liegt, wissen aber nicht wann und woher es
kommt. Die Gefahren sind schnell genannt: Inflation, totalitäres Gebaren des Staates, Sozialisierung
europäischer Verbindlichkeiten, Verarmung weiter Bevölkerungsschichten und schlussendlich der
Kollaps von Wirtschaft und Gesellschaft. Nouriel Roubini, US-Wirtschaftswissenschaftler, sieht Europa
mit Vollgas auf den Abgrund zusteuern.

Falls die deutsche Regierung nicht noch unvermittelt die Reißleine zieht, werden wir die Konsequenzen
schon in naher Zukunft zu spüren bekommen. Unter finanzieller Repression versteht man die
Unterdrückung der individuellen Freiheiten seiner Bürger, wenn die Staatsverschuldung ein Ausmaß
angenommen hat, das mit „normalen“ Mitteln nicht mehr beherrschbar ist. Im Kern geht es um die
Verlagerung der Vermögenswerte vom Bürger zum Staat. In der letzten Analyse hatte ich Ihnen bereits
anhand der Formel zur Staatsschuldenquote erläutert, dass die normalen Mittel „Einsparungen“ und
„Wachstum“ nicht mehr greifen und somit nur noch die Inflationierung der Schulden helfen kann.

Entsprechend dürfte das Maßnahmenbündel der Financial Repression aussehen:

Reduzierung der Zentralbank-Zinsen (bereits erfolgt)
· Verringerung der Zinslast des Staates
· negative Realrendite auf Sparvermögen
· konjunkturelle Scheinblüte
Vermögenssteuer
Reichensteuer, Zwangsabgabe (für Vermögen ab € 250.000,-- kürzlich schon ins Spiel gebracht)
Zwangskauf von Staatsanleihen
Belastung der Immobilienbesitzer (Grundsteuer, Erbschaftssteuer, Zwangshypotheken, Verbot
von Mieterhöhungen)
Kapitalverkehrskontrollen (Verhinderung von Kapitalabflüssen ins Ausland)
Einschränkung von Bargeldtransaktionen
Meldepflichten, Besitzverbot bestimmter Vermögenswerte (z.B. Gold)
Manipulation des Verbraucherpreis-Index, wie schon immer praktiziert

Die Liste ließe sich problemlos erweitern, denn die Maßnahmen stammen nicht aus irgendeinem
kommunistischen System, sondern wurden von den USA und Großbritannien nach den Zweiten
Weltkrieg angewendet, als sich die Staaten in ähnlich auswegloser Situation befanden.

Abschied von der Nominalwertillusion

Die Handlungsmöglichkeiten des Bürgers sind begrenzt. Die Wenigsten werden in der Lage oder gewillt
sein, ihren steuerlichen Wohnsitz in den Nicht-Euro-Raum zu verlagern. Dann bedarf es aber einer
intensiven Analyse seines gesamten Vermögens, und zwar aus der Sichtweise des realen
Kapitalschutzes. Wer sich wirklich Mühe macht, wird zumindest in der Lage sein, seine Kaufkraft zu
erhalten.

Erste Leitlinie: Weg von Tagesgeldkonten, Festgeldern, Spareinlagen und Staatsanleihen. In der heutigen
Situation ist es fahrlässig, Gläubiger von Staaten und Banken zu sein. Diese Anlagen eignen sich allenfalls
für kurz- bis mittelfristig benötigte Liquidität, aber keinesfalls als Geldanlage (siehe unseren letzten
Newsletter: Das zinslose Risiko).

Die richtige Anlagestrategie sind sinnvolle Sachwertinvestitionen (Energiegewinnung, Agrarflächen,
Infrastruktur, Immobilien etc.), und dies vor allem im außereuropäischen Bereich. Des Weiteren ein
ausgewähltes Portfolio von Qualitätsaktien, das über seine Dividendenzahlungen deutlich höhere
Erträge und Inflationsschutz bietet als Papiergeldforderungen. Nicht zuletzt empfiehlt es sich, einen
Vermögensanteil von 10-15% in Gold zu investieren, da es die einzige Währung ist, die politisch nicht
manipulierbar ist.

Mir ist sehr wohl klar, dass die Vorschläge nicht zur üblichen Anlagephilosophie des typisch deutschen
Anlegers gehören, aber das Denken in Nominalwerten ist zukünftig fehl am Platz.

Deutschland muss sofort aus dem Euro raus

Wer wieder mal glaubt, es wird alles halb so schlimm, wird sich täuschen. Es wird schlimmer. Und wer
das nicht will, sollte dringend und sofort seine Rechte als Bürger wahrnehmen. Demokratie und
Grundgesetz stehen auf dem Spiel. Fordern Sie die Politiker in Ihrem Wahlkreis parteiübergreifend auf,
diesen Wahnsinn zu stoppen. Wenn nur halbwegs verstanden wird, was in naher Zukunft passieren
kann, müssten wir spätestens morgen Massendemonstrationen gegen den Euro auch in unseren
Straßen haben.

Wie schon gesagt: Das Endspiel hat begonnen, und wenn das Verfassungsgericht die Bundesregierung
nicht zurückpfeift, gibt es keine rechtliche Instanz mehr, die noch helfen kann. Dann liegt es an uns, ob
wir das berühmte „Kaninchen vor der Schlange“ sind oder nicht.

In diesem Sinne verbleibe ich
mit herzlichem Gruß

Ulrich Heil