Nach dem Gipfel ist vor dem Gipfel

Die Politik hat sich entschieden, das Schuldenproblem durch die Herbeiführung von Inflation zu lösen. Die für viele Beobachter überraschend gute Entwicklung der meisten Börsen in diesem Jahr ist eine direkte Folge der weltweiten monetären Lockerungen. Die Verfügbarkeit von Kapital ist für die Aktienmärkte -kurzfristig - wesentlich wichtiger als Unternehmensergebnisse. Bei der Vorlage der Q4-Zahlen zur Gewinnentwicklungen der Unternehmen in Europa wurden viele Erwartungen verfehlt. Aber die Party an der Börse ging weiter. Wir bleiben trotzdem skeptisch.

Die gesamte Diskussion über Zerfall des Euros und Rettungsschirme erübrigt sich für die nächste Zeit im Hinblick auf die neue EZB-Politik. Im Dezember gewährte die EZB den Banken 500 Mrd. Euro mit 3-jähriger Laufzeit zu 1% Zins (sie gingen zu drei Vierteln an italienische Banken). Letzte Woche kamen noch einmal  530 Mrd. Euro mit wiederum drei Jahren Laufzeit und 1% Zins hinzu. In den letzten 3 Monaten hat die EZB den Banken nunmehr mehr als 1 Billion (= 1.030 Milliarden) Euro zum Überleben zur Verfügung gestellt. Das entspricht sage und schreibe rund 10% des europäischen Bruttoinlandsprodukts. Griechenland wird meiner Meinung nach trotzdem den Euro wohl in diesem Jahr verlassen (müssen), aber die Unmengen an Geld sollen die Folgen für die betroffenen Banken kaschieren. 

Glauben Sie bitte nicht, dass auch nur ein einziges Problem gelöst wäre. Jens Weidmann, der Präsident der Deutschen Bundesbank hat in ungewohnt scharfer Form die Zukunft des Euros in der jetzigen Form angezweifelt. Die EZB habe nunmehr den Rubikon überschritten, zu Lasten der Bundesbank und damit zu Lasten des deutschen Steuerzahlers.

Deutschland wird als (letzter) Zahlmeister übrig bleiben

Die Konsequenzen für Deutschland sind erschreckend. Der Rettungsschirm trägt zwar den Namen „Europäischer Rettungsfonds“, aber darin gibt es leider kaum Europa. Italien und Spanien sind selbst zu einem Drittel am Rettungsfonds beteiligt, können also nicht helfen, wenn sie selbst Geld benötigen. Damit kann man sie getrost von der Liste derer Länder, die im Zweifel haften müssen, streichen. Bleiben im Wesentlichen noch Deutschland mit 43% und Frankreich mit 33%. In absehbarer Zeit dürfte Frankreich jedoch ebenfalls zu den Nehmerländern gehören. Wir sollten uns keine Illusionen machen: Alles, was an Haftsummen und Garantien beschlossen wird, wird sich zu nahezu 100% auf Deutschland (und zu kleinen Teilen auf Holland und Finnland) beschränken.

In einer solchen Konstellation werden irgendwann auch sämtliche in der EU ausgesprochenen Garantien zu echten Zahlungsverpflichtungen Deutschlands führen. Das sinnlose und hoffnungslos gescheiterte „Experiment Euro“ führt derzeit dazu, dass Deutschland sich ohne Zwang in einer Art und Höhe für Ausländer verschuldet, wie es bisher noch kein Land auf der Welt jemals getan hat.

Wenn man den Politikern zuhört, sollte der Euro ein Instrument zur dauerhaften Friedenssicherung in Europa sein. Betrachtet man die sich abzeichnenden gesellschaftlichen Entwicklungen in den einzelnen Ländern, erkennt man jedoch eher eine gegenläufige Tendenz. Früher etablierte Parteien verlieren an Zustimmung, Randparteien werden stärker, Misstrauensvoten und Vertrauensfragen in den Parlamenten sind an der Tagesordnung. Es besteht die große Gefahr, dass die kaum noch lösbaren wirtschaftlichen Probleme zu entsprechenden politischen und damit gesellschaftlichen Spannungen führen, die irgendwann nicht mehr kontrollierbar sind. Die Ablehnung und Entfremdung zwischen Geber- und Nehmerländern wird zunehmen. In London gibt es bereits ein Volksbegehren für den Austritt Englands aus der EU. Wenn man die Gedanken zu Ende bringt, könnte Deutschland in einigen Jahren mit einer Mega-Verschuldung dastehen und von seinen europäischen Nachbarn angefeindet werden.

Fazit

Alle politischen Beschlüsse  zielen weiterhin darauf ab, nur die Symptome der Schuldenkrise zu bekämpfen, nicht aber deren Ursachen. Das Ziel ist allein, Refinanzierungskosten der Peripherieländer zu senken und gleichzeitig mit aller politischen Macht den Euro zu erhalten. 

Die Frage, ob dadurch an anderer Stelle Risiken aufgehäuft werden, wird ausgeblendet. 
Man muss kein Prophet sein, um festzustellen, dass in den nächsten Monaten weitere Not-Gipfel einberufen werden. Das Vertrauen der Märkte in die Maßnahmen der Politik sinkt mit jeder verpassten Chance weiter, und die potentiellen Kosten zukünftiger Rettungsaktionen werden zunehmen. 

Deutschland ist in einer ernsthaften Gefahr seinen Wohlstand und seine Zukunft zu verlieren. Man muss die Politik dazu zwingen, einen Bürgerentscheid in Sachen Euro herbeizuführen. Es kann nicht sein, dass einige Wenige das Vermögen einer gesamten Nation aufs Spiel setzen. Nutzen sie Ihre Einflussmöglichkeiten, denn weiterer Verlust an Zeit wird die Situation für Deutschland verschlimmern.

Ulrich Heil