Verehrte Mandanten,
    
    Kein Mangel an schlechten Nachrichten: So lassen sich die vergangenen Wochen aus
    Anlegersicht wohl am besten beschreiben. Neben der nicht gelösten Schuldenkrise in Europa
    wirft auch der faule Kompromiss um eine Anhebung der US-Schuldengrenze die Frage auf, ob
    die USA einen Zahlungsausfall noch abwenden können. Zu allem Überfluss setzt sich vor diesem
    Hintergrund die globale Abschwächung der Konjunktur fort, und das Wirtschaftswachstum
    droht sich in der zweiten Jahreshälfte deutlich abzuschwächen.
    
    Der EU-Gipfel vor 2 Wochen wurde als große Rettungsaktion für Griechenland gefeiert; in
    Wirklichkeit wurden aber sämtliche ordnungspolitische Rahmenbedingungen und bisherige
    Tabus über Bord geworfen. Man nimmt in Kauf, dass die Ratingagenturen die Bonität
    Griechenlands weiter herabstufen, und es zu einem temporären Zahlungsausfall kommt. Zudem
    wurde der Europäischen Zentralbank gestattet, griechische Anleihen auch während des
    Zahlungsausfalls weiter als Sicherheit zu akzeptieren, so dass sie den griechischen Bankensektor
    ununterbrochen mit Liquidität versorgen kann. Neben den zusätzlichen Mitteln für
    Griechenland wurden die Bedingungen für bereits gewährte Unterstützung an Griechenland,
    Irland und Portugal noch einmal gelockert: Die Laufzeit der Kredite wurde von 7,5 Jahren auf 15
    Jahre verlängert, der Zins von etwa 4,5% auf rund 3,5% reduziert.
    
    Noch wesentlich wichtiger als die Griechenland- Entscheidungen war allerdings, dass die
    Kompetenzen der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF), dem gegenwärtigen Euro-
    Rettungsschirm, noch weiter ausgedehnt wurden, um eine Ansteckung Italiens und Spaniens zu
    vermeiden. Diese kann zukünftig Staatsanleihen auch am Zweitmarkt aufkaufen. Damit ist der
    Euro-Bond und mit ihm die Transferunion faktisch Realität. Im Grunde besteht nunmehr ein
    Freifahrtschein für jede monetäre Hilfe an jedes bedürftige EU-Mitglied ohne weitere
    Rücksprache – ein politischer Offenbarungseid. Mit dem aktuellen Volumen des EFSF von 440
    Milliarden Euro wird der Rettungsschirm jedoch nicht ausreichen, um eine weitere Flucht aus
    den Anleihen der Peripherieländer zu verhindern. So muss allein Italien bis Ende 2012 mehr als
    400 Milliarden Euro an Staatsanleihen refinanzieren, eine Größenordnung, mit der der EFSF
    schon überfordert wäre.
    
    Der politische Wahnsinn nimmt seinen Lauf
    
    Genau diese Einschätzung setzt sich momentan am Kapitalmarkt durch: Nach einer kurzen
    Beruhigung erreichten die Renditen für spanische und italienische Staatsanleihen wieder
    dasselbe Niveau wie vor dem Gipfel. Sollten die Renditen nachhaltig über das bereits erreichte
    Niveau von rund 6% für zehnjährige Anleihen steigen, dürfte es immer schwieriger für Spanien
    und Italien werden, Investoren für neue Anleihen zu gewinnen. Die führende Wirtschaftsnation
    Heil WirtschaftsberatunHeil Wirtschaftsberatung GmbH & Co. KG
    Unternehmensberatung – Finanzplanung - Vermögensverwaltung
    Europas, Deutschland, indes taumelt in diesen Zeiten führungslos durch die Gegend und wird
    wiederholt von Frankreich am Nasenring durch die Manege gezogen. Merkel wurde noch in der
    Nacht vor dem EU-Gipfel von Sarkozy und Trichet weichgekocht. Und EU-Präsident Barroso
    verlangt in diesen Tagen schon wieder die nächste Aufstockung des Rettungsschirms. In Kürze
    wird sich dieser politische Wahnsinn als das erweisen was es ist: Eine gigantische
    Vermögensvernichtung zum Schaden der Bürger Europas.
    
    Wie schrieb die Zeitschrift „Capital“ sehr treffend: „So bequem es sein mag, in Athen und
    Zweibrücken mit denselben Scheinen zu shoppen – wenn sich herausstellt, dass der Preis dafür
    in einen großen Finanzausgleich und der faktischen Entmündigung des Transferempfängers
    besteht, dann sieht die Rechnung für alle Beteiligten völlig anders aus. Es ist nun mal ein
    grundlegender Unterschied, ob man nur dasselbe Zahlungsmittel teilt oder auch dasselbe
    Portmonnaie.“
    
    Gemessen an den Ausmaßen scheint die Schuldensituation in den USA noch dramatischer als in
    Europa. Im laufenden Jahr dürfte der US-Schuldenstand das Niveau der Wirtschaftsleistung
    eines ganzen Jahres erreichen, und in den kommenden Jahren wird sich die Situation weiter
    verschlechtern. Denn die Ausgaben werden nach den Projektionen des Internationalen
    Währungsfonds die Einnahmen auch zukünftig deutlich übersteigen. Mit der politisch wirklich
    anspruchsvollen Aufgabe, wie das Defizit nachhaltig zurückgeführt werden soll, hat sich die USPolitik
    bislang allenfalls rudimentär beschäftigt. Angesichts der unterschiedlichen
    Vorstellungen, wie dies zu bewerkstelligen ist (die Demokraten favorisieren grundsätzlich
    Steuererhöhungen, die Republikaner Ausgabensenkungen), konnte es bei der Entscheidung zur
    Anhebung der Schuldengrenze auch nur Verlierer geben. Wir erwarten auch keine
    substanziellen Beschlüsse vor den Präsidentschaftswahlen im November 2012. Aber die USA ist
    nicht Europa und die Selbstheilung kann wesentlich schneller einsetzen, wenn die richtigen
    politischen Maßnahmen ergriffen werden.
    
    Welche Auswirkungen hat die ungelöste Schuldenproblematik auf die Aktienmärkte?
    
    Eine unabdingbare Voraussetzung für das Funktionieren unseres Wirtschaftssystems ist
    Vertrauen. Vertrauen darauf, dass das bunt bedruckte Papier in unseren Portemonnaies einen
    stabilen Wert hat und man mit ihnen jederzeit Güter und Dienstleistungen erwerben kann.
    Vertrauen darauf, dass Banken sorgsam mit den ihnen anvertrauten Geldern umgehen und die
    Einlagen wieder zurückzuzahlen. Und auch Vertrauen darauf, dass Staaten nicht nur die
    erforderlichen rechtlichen und ordnungspolitischen Rahmenbedingungen für alle Bürger sowie
    Unternehmen zur Verfügung stellen, sondern auch, dass sie ihre Schulden und die daraus
    resultierenden Zinsen gegenüber ihren Gläubigern pünktlich und in voller Höhe begleichen
    können.
    
    Dieses Vertrauen ist durch die Ereignisse der vergangenen vier Jahre zu einem großen Teil
    verloren gegangen und droht nun ganz verspielt zu werden. Wenn man sich die Entwicklung
    anschaut und versucht, diese zu beurteilen, dann kommt man nicht umhin festzustellen, dass es
    einerseits (im rein wirtschaftlichen Sinne) eine besonders schwere, weil hausgemachte,
    Rezession von Mitte 2008 bis Mitte 2009 gegeben hat und dass es andererseits (im mehr
    psychologischen Sinn) seit Mitte 2007 einen enormen und anhaltenden Vertrauensverlust gibt
    und zwar sowohl bei den Marktteilnehmern als auch bei „normalen“ Bürgern. Angefangen von
    der US-Immobilienkrise über wertlose Hypothekenverbriefungen, den Kreditausfallspekulationen
    der Banken mit Credit Default Swaps, der Lehman-Pleite bis hin zu den Staaten,
    die es nicht geschafft haben, Lösungen für die Rückführung der immer höheren Schuldenberge
    zu finden. Im Gegenteil: Sowohl in Europa als auch zuletzt in den USA hat sich die Politik als
    völlig unfähig erwiesen, geeignete Problemlösungen zu erarbeiten. Stattdessen findet das
    übliche widerliche und planlose Gezerre zwischen Regierenden und Opposition statt. Die
    Marktteilnehmer haben endgültig registriert, dass die Politik die Schuldenproblematik nicht in
    den Griff bekommt.
    
    Die normalerweise für die Aktienmärkte gültige Aussage „politische Börsen haben kurze Beine“
    hat offensichtlich ihre Gültigkeit verloren, denn willkürliche politische Entscheidungen bar
    jeden Sachverstands überlagern schon seit 2008 alle Dispositionen. Die Gelddruckorgien der
    letzten Jahre haben zwar eine weltweite Rezession verhindert, jedoch nun mehren sich die
    Anzeichen, dass sich die konjunkturelle Situation trotzdem verschlechtert. So haben sich in
    jüngster Zeit viele Frühindikatoren deutlich abgeschwächt. Kennzeichnend hierfür ist die
    Tatsache, dass sich die Weltwirtschaft im Zuge der Globalisierung synchron verhält und der
    Konjunkturabschwung auf breiter Front erfolgt. So zeigen wichtige Frühindikatoren (OECD,
    Einkaufsmanagerindizes etc.), dass derzeit aus keiner Region der Welt positive
    Wachstumsimpulse ausgehen. Wenn jetzt auch die Schwellenländer als Wachstumsmotor der
    letzten Jahre ins Stottern geraten, hat dies gravierende Auswirkungen auf die Industrieländer.
    
    Charttechnische Warnsignale
    
    Aktuell besteht ein hohes Risiko, dass aus einem „normalen“ zyklischen Abschwung ein
    erheblicher wirtschaftlicher Rückschlag werden könnte, weil mögliche Turbulenzen an den
    Finanzmärkten negative Rückkoppelungseffekte auf die Realwirtschaft haben würden. Speziell
    für Deutschland dürfte auch das Argument, dass der Aufholprozess nach dem scharfen
    Konjunktureinbruch von 2008/2009 abgeschlossen ist, ein Rolle spielen. Denn die deutsche
    Wirtschaft ist im Unterschied zu anderen Volkswirtschaften, in denen der Dienstleistungssektor
    eine größere Rolle spielt, sehr zyklisch ausgerichtet. Die Fokussierung auf den Außenhandel und
    die Industrie hat uns eine Sonderkonjunktur beschert, führt aber in Abschwüngen auch zu
    deutlich stärkeren Einbrüchen.
 
    
    Wenn sich diese Prognose bewahrheitet, dürften die Gewinnschätzungen für den DAX, die für
    nächstes Jahr einen Zuwachs von fast 14% erwarten lassen, schwierig zu erreichen sein. Die seit
    langer Zeit bestehende niedrige Bewertung vieler Aktienindizes kann eher als Zeichen
    mangelnden Vertrauens gewertet werden: Mangelndes Vertrauen in die nachhaltige
    Ertragskraft der Unternehmen oder mangelndes Vertrauen in die Prognosegüte der Analysten.
    
    Am Dienstag hat die Charttechnik im DAX ein wichtiges Signal geliefert. Erstmals seit Anfang
    2009 ist die 256 Tage-Linie wieder nach unten durchbrochen worden, was in der Vergangenheit
    ziemlich zuverlässig der Auftakt zu einer schwachen Börsenphase war (siehe Chart). Wir haben
    konsequenterweise die Aktienquote weiter reduziert und die Absicherungsmechanismen
    verstärkt. Vor diesem Hintergrund scheint die Empfehlung eines vorsichtigen Agierens an den
    Kapitalmärkten der beste Rat zu sein, den man derzeit geben kann. Die Flucht in Gold und
    Sachwerte, aber auch in den Schweizer Franken, hält in unverminderter Form an. Nicht wenige
    Experten sehen den Goldpreis in nicht ferner Zukunft bei USD 2.500/oz. Die Schwierigkeit zu
    beurteilen, ob Gold auf dem aktuellen Niveau nicht schon zu teuer ist, relativiert sich mit der
    zunehmenden Entwertung des Papiergeldes immer mehr.
    
    Fehlendes Vertrauen der Marktteilnehmer ist keine Grundlage dafür, überdurchschnittliche
    Risiken einzugehen oder besonders hohe Erträge zu erwarten. Es könnte sich noch als richtig
    erweisen, vor der Bundestagswahl 2013 rechtzeitig wichtige strategische Entscheidungen
    getroffen zu haben – denn danach heißt es: Ausgang ungewiss.
    
    In diesem Sinne werden wir auch die weiteren Gespräche mit Ihnen führen.
    
    Mit herzlichem Gruß
    
    Ulrich Heil